Wie ich zig Male versuchte, ein Huhn nicht zu Stroh zu kochen

Ach, es war wunderbar! Ich hatte Tränen in den Augen. Sogar der Gatte war still vor Bewunderung. Es war: meine erste saftige Hühnerbrust!
Ich habe die Anweisungen des Schinkenweltmeisters befolgt und das Huhn ins heiße Rohr geschoben, eine Schale Wasser druntergestellt, nach einer Viertelstunde die Temperatur runtergedreht – trocken.
Ich habe das Huhn in eine Salzkruste gepackt –
trocken. Und eine rechte Patzerei, wie meine Mutter sagen würde.
Ich habe das Rezept meines Freundes Klaus Kamolz ausprobiert und das Huhn auf eine Bierdose gestülpt, auf dass es laufend von innen befeuchtet werde.
Das Huhn blieb wieder trocken, dafür kein Auge.*
Es muss übrigens kein Ottakringer sein, laut Klaus geht auch Pilsner Urquell:
Vielleicht hätte ich es hier in Paris ja auf eine Flasche Bordeaux stecken sollen.
Und bevor Sie jetzt was von der Würde der Kreatur kommentieren, warten Sie noch eine Sekunde, dann haben Sie alles in einem Aufwasch:
So sieht ein nacktes Huhn aus, bevor es nach Frau Ziiis Hainan-Reis-Rezept in den Suppentopf kommt.
Und so von hinten (unten?), für diejenigen, die heute besonders hart drauf sind.
Und ja, ich habe es selbst mit diesem Rezept geschafft, das Huhn, sagen wir, nicht wirklich saftig zu kriegen. Trotz mittels Atomuhr eingehaltener Garzeiten. Ich schätze, es ist der Höhenunterschied. Bei uns im 4. Stock gart einfach alles schneller.
Ich habe das Huhn gespatchcocked (heute ist eh schon alles egal), also das Rückgrat rausgeschnitten, das Huhn aufgeklappt und flach aufs Backblech gelegt – trocken.
Wobei ich hier das Kunststück vollbrachte, dass die Brüste alles, nur nicht saftig waren, die Keulen aber trotzdem noch weitere 45 Minuten brauchten, um durch zu sein.
Ich war genau ein einziges Mal mit dem Resultat zufrieden: als ich zwei Hühnerbrüste mit meiner Baumarkt-Sous-vide-Methode zubereitete. Es war ein Moment der Erleuchtung: So konnte Huhn schmecken! Man konnte es sogar ohne Sauce essen! Es lag also nicht an den französischen Hühnern, denen ich schon zu unterstellen gewillt war, sie wären einfach genauso fettfrei wie die Pariserinnen. Nein, es lag schlicht und einfach an mir!
(Ok, letzteres war keine so große Erleuchtung …)
Doch ich war noch nicht bereit, gebratenes Huhn aufzugeben. Andere können das auch, sagte ich mir, du schaffst es!, sagte ich mir, so schnell lässt dich der Gatte keinen Glühweintopf anschaffen, sagte ich mir.
Vor ein paar Tagen dann hatte ich ausnahmsweise wieder blanc de poulet gekauft. Üblicherweise kommen uns hier nämlich nur ganze Hühner ins Haus. Ich glaube, ich wollte auch wieder die Sous-vide-Versuchsanordnung aufbauen. Doch vermutlich habe ich – comme d’habitude – zu spät mit allem begonnen. Außerdem wollte ich es doch noch einmal mit meinem Bratenthermometer probieren. Schließlich wurde uns beim Lenôtre-Fleischkurs auch eine Liste mit den Gartemperaturen unterschiedlicher Fleischsorten mitgegeben. Geflügelfilets sollen 62°C im Kern haben, Keulen 70°C.
Ich hegte schon lange den Verdacht, dass all die tollen Zeitvorgaben nicht für unseren Ofen gelten, weil dort 180°C irgendwie … andere 180°C sind als bei normalen Öfen. Was genau da drin passiert, werde ich nie erfahren, aber bei einem Test mit nicht weniger als drei Thermometern wurden nicht weniger als drei unterschiedliche Temperaturen angezeigt. Mit einem Spielraum von so 20, 30 Grad. Seither nenne ich ihn nur noch unsere Slotmachine. Eine mit einem sehr sehr großen Slot.
Ich bräunte die Filets also brav in der Pfanne an, rammte dem dickeren das Thermometer hinein und legte sie in den Ofen, der auf 180°C vorgeheizt war – oder auch nicht – und wartete. (Mein Thermometer hat auch noch einen kleinen drahtlosen Empfänger, sodass man während des Wartens hervorragend Fernsehen kann.)
Und siehe da: Sie waren wunderbar! Sogar der Gatte sagte – und ich zitiere hier aus Notizen: „Das hätte ich mit meinen Methoden nicht so hingekriegt.“
Wieso also nicht gleich mit Thermometer? Falscher Ehrgeiz, vermutlich. Das berüchtigte Stützräder-Syndrom. Wenn ich nur daran denke, wieviele unschuldige, mit Liebe großgezogene französische Fermier-Hühner durch meine Borniertheit gleich noch einmal dran glauben mussten, wird mir ohnehin schwummrig. Ab sofort gilt jedenfalls: Nicht ohne mein Thermometer!
* Und noch ein Fünfer in die Kalaua-Kasse!
Na dann Herzlichen Gkückwunsch zu diesem Erfolg! 😀
Dankeschön, dankeschön! Ich danke meinem Mann, meiner Mutter, meiner Agentin und den unzähligen Hühner, die ihr Leben im Kampf um die gute Sache gegeben haben!
Herrlich.
Frau Neudecker, ich glaube, Sie leben in einem Parallel-Universum mit völlig auf den Kopf gestellten Bedingungen. Würde ja auch für den Ofen sprechen. 😉
Ich bin jedenfalls ganz begeistert, so viele Hühnerzubereitungsarten auf einen Schlag zu sehen. Wenn die mit Liebe aufgezogenen Biohendln nicht so kreuzteuer wären, würde ich sofort 5 bis 6 kaufen und alle Arten der Zubereitung hintereinander weg probieren… 😉
Bon week-end!
Viel einfachere Methode: das ganze Huhn mit Olivenöl bestreichen, mit Parmaschinken einhüllen, mit einer ganzen Knolle Knoblauch füllen und umlegen in einem fest verschlossenen Topf, am besten einen emaillierten aus Gusseisen oder einen Römertopf, und für 1,5 Std bei 175° (kommt hierbei auf 10° mehr oder weniger nicht an!) in den Backofen. DECKEL NICHT ÖFFNEN! Dann verschlossen auf den Tisch und dort erst aufmachen – den Geruch haben die Gäste als ersten Gang verdient! Dazu Baguette und Tomatensalat: das ist Sommer!
Sie wollen unbedingt hier demnächst lesen, wie ich auch dieses Huhn zu Sägespäne verarbeitet habe, richtig?
Nur Mut! Mit dieser Methode kann gar nichts schief gehen!
Hat der Kamolz über sein Dosenhuhn auch gesagt.
Nur das bei mir das Huhn nicht auf, sondern in der Dose ist!
Ich hoffe, Sie lernen nicht zu schnell kochen, liebe Frau Neudecker, Ihre Fehlschläge „makes my days“ – und zwar jedes Mal. 😉
Ach, wenn wenigstens Sie drüber lachen können …
Ich kann da auch immer herzlich lachen! 🙂 Und Sie mit ein wenig Abstand zum Desaster wahrscheinlich auch…