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Auswärtsbegegnungen

Hin und wieder will der Gatte sich von Menschen bekochen lassen, die das auch können. Dann rauben wir eine Bank aus und gehen essen.

Restaurantbesuche sind in Paris prinzipiell um einiges teurer als in Deutschland und Österreich. (So wie Mieten, Kürbiskernbrot und Haartönungen.) Es ist einfach ein sauteures Land. Dafür gibt man hier nur 5 Prozent Trinkgeld. (Weshalb ich jetzt scherzen könnte, dass man damit ja schon wieder die Hälfte der Zeche wieder herinnen hat, aber ich fürchte, mein Mathematikprofessor, der mich mit zugepressten Augen durchs Gymnasium gebracht hat, steigt dann endgültig aufs Fensterbrett.)

Auch gut zu wissen: Im durchschnittlichen Pariser Bistro sitzt man nicht neben, sondern auf seinem Nachbarn. Wie gesagt, die Mieten. Um die wieder reinzubekommen, wird eben zwischen die beiden eng beieinander stehenden Tische noch ein dritter gequetscht. Platz hat man nur in den richtig teuren Luxuslokalen.

Ein Tipp für die Restaurantsuche: Paris by Mouth ist eine Sammelstelle für englischsprachige, in Paris lebende Foodkritiker. Wenn die sich auf was einigen, kann man dem Tipp relativ blind vertrauen. Wir ersparen uns dank ihnen viel Geld, weil wir immer erst abwarten, was sie von neuen Lokalen halten. Ganz abgesehen davon, dass wir unsere To-do-Liste sonst schon überhaupt nicht mehr unter Kontrolle bringen könnten. In Paris eröffnen jede Woche mindestens zwei bis drei ernstzunehmende Lokale. Wer sollte das sonst alles zahlen? (Und essen?)

Luxus
Le Cinq
Das Le Cinq leisten wir uns, wenn der Bankraub ganz besonders ergiebig war, Weihnachten ist und wir beide mehrstellige Steuerrückzahlungen bekommen haben.
Es ist das beste Beispiel, um jene Vorurteile zu entkräften, dass Sternelokale immer „vollkommen uncool, total unsexy, unglaublich langweilig“ sind. Zumindest für Menschen wie uns, die wir uns nicht damit aufhalten, nur in „coole“ Restaurants zu gehen. Wir wollen einfach gut essen. Das kann man im Le Cinq natürlich mehr als. Aber was man einmal erlebt haben muss, ist das Personal. Von wegen langweilig. Ich glaube, wir haben selten so viel gelacht wie hier. Der Service hat diese ganz besondere Gabe, mit einem Blick zu erkennen, wie er die Gäste anpacken kann. Wer’s korrekt (und langweilig) will, bekommt’s korrekt. Mit allen anderen wird gescherzt und werden Späße getrieben.
Ich erinnere mich zu gut daran, als wir einmal beim Mittagessen (ist *räusper* leistbarer) neben zwei Asiatinnen saßen, die weder Französisch noch Englisch sprachen, aber sich einfach mal was Gutes tun wollten. Nachdem der Kellner den Damen die Speisekarte pantomimisch vorgeführt hatte (Hase! Schwein!), mussten rundherum frische Stoffservietten verteilt werden.

Le Laurent
Fatalerweise haben wir eine Zeitlang nur ein paar Minuten vom Laurent entfernt gewohnt. Noch fatalererweise haben sie oft abends noch einen Tisch frei, weil es eher ein Mittags-Business-Restaurant für die umliegenden Ministerien ist. Seit wir dort weggezogen sind, wagen wir unseren Bankbetreuern wieder ins Gesicht zu blicken.
Der Gatte befiehlt Ihnen übrigens, hier die Vorspeise „Araignée de mer dans ses sucs en gelée, crème de fenouil“ zu wählen. Aber fragen Sie vorher besser Ihren Bankbetreuer.

L’Arpège
Alain Passard ist Gott. Was er mit Gemüse anstellt, ist unbeschreiblich. Um die Qualität seiner Zutaten zu sichern, leistet er sich nicht weniger als drei professionell betreute riesige Gärten rund um Paris, von denen er das Gemüse immer dann geliefert bekommt, wenn es perfekt reif ist. Das macht schon einmal die halbe Miete. Dann allerdings bereitet er sie mit Techniken zu, die aus einer genialen Karotten eine überirdische Karotte machen.
Ein Besuch hier ist nicht unter drei Banküberfällen zu schaffen, aber es ist jedes Jahr hinter Gittern wert.

Modern
Agapé Substance
UPDATE: Hat leider einen neuen Koch, und man liest Unterschiedliches über die derzeitige Qualität der Küche.

Bistro-Küche, französische Klassiker
Le Griffonnier
Auch hier sind wir froh, nicht mehr direkt nebenan zu wohnen. Nicht wegen unserer Bankbetreuer, sondern wegen unserer Internisten. Der Griffonnier hat nur donnerstags abends offen, sonst ausschließlich mittags. Dort bekommt man die klassische bodenständige französische Küche von Kohlrouladen über Schnecken bis zu Onglet, aber in einer Qualität, die man sonst lange sucht. Eigentlich sollten wir rein aus Bildungszwecken öfters hingehen, weil wir hier auch ohne Reisen alle französischen Klassiker (Aligot!) kennenlernen. Aber wieviele Ausgleichs-Marathons kann man schon pro Tag laufen?

Le Belisaire
Zugegeben, auf der Webseite ist nicht viel zu erkennen. Dann müssen Sie uns einfach glauben, dass wir dort noch kein einziges Mal enttäuscht waren. Das Lokal ist klein, der Wirt sieht aus wie aus dem französischen Bilderbuch, hat viel Humor, und das Essen ist einfach perfekt.

L’Epicuriste
Bei unserem letzten Besuch hatte ich einen Milchreis mit Butterkaramell-Sauce, der mir jetzt noch Tränen in die Augen treibt. Ich versuche, mir nicht-jugendfreie Kommentare zu verkneifen, aber als ich der Kellnerin trotz völliger Sprachlosigkeit meine Begeisterung mitteilte, sagte sie mit einem geradezu entrückten Blick: „Ja, nicht wahr?“ Danach haben wir uns gefühlt wie zwei Frauen, die beide mit demselben wunderbaren Liebhaber im Bett waren.
Das übrige Essen ist auch super.

Neue Deutsche Welle (bildlich gesprochen)
Au Passage
Wir haben uns ohne Hochwasserhosen und Nerd-Brille kaum reingetraut, aber dafür haben wir dann eben versucht, besonders cool dreinzuschauen. Das Au Passage wirkt ein wenig wie ein spontan eröffnetes Lokal in einem ehemaligen Wasauchimmer, zusammengewürfeltes Mobiliar, Fliesenboden, an der Theke klebende Stammgäste. Und die Karte besteht aus vielen Kleinigkeiten und jeweils einem Hauptgericht. Von den Kleinigkeiten bestellt man am besten einfach den ganzen Schwung und lässt sich überraschen. Wenn’s nicht reicht, bestellt man einfach nach. Hier habe ich den Gatten zum ersten Mal Karfiol (Blumenkohl) essen gesehen und das will was heißen.

Vivant
Wir sind treue Menschen, deshalb folgen wir Pierre Jancou – fast – überall hin. Mittlerweile ist er in dieser ehemaligen Vogelhandlung angekommen, womit man sich beim ersten Besuch auch schon einmal die Wartezeit bis zum Entrée vertreiben kann: Diese alten, bemalten, entzückenden Fliesen allein wären schon ein Grund, ins Vivant zu gehen. Aber das Essen ist, wie bei Jancou üblich, direkt, (so blöd das klingt) ehrlich und unverschnörkelt. Ich krieg das leider grad nicht besser hin. Wir müssen dort jedenfalls bald endlich wieder hin.
(Kleiner Tipp: Gehen Sie zu viert hin, dann laufen Sie nicht Gefahr, einen der Tische an der Tür zu bekommen. Sie wissen, der Pariser geht gern und oft eine rauchen …)

TO BE CONTINUED

5 Kommentare leave one →
  1. 24. April 2012 08:09

    Also ich war letztens im Quatier Latin essen, fand es nicht sonderlich teuer und zudem lecker. Ich bin aber auch ein Normalbürger, liebe Eclairs, und bin ganz sicher kein Gourmetdingens

    • Henry permalink
      12. Februar 2014 09:38

      Ich war letzte Woche wieder einmal in Paris. Es war entsetzlich teuer. Rechnen Sie mal die Euros in D-Mark um, die D-Mark in neue Francs und das ganze dann in alte Francs – da kommen astronomische Summen raus für einen Macaron….

      • 12. Februar 2014 13:11

        Na gut, wenn ich Euro in D-Mark umrechne und die dann in DDR-Mark, dass dann verdoppele, frage ich mich auch, wie ich mir überhaupt noch ein Stück Butter vom Aldi leisten kann 😉

  2. Hammwanich permalink
    15. Januar 2013 13:23

    Wir sind bei unserem letzten Parisbesuch (Oktober 2012) zufällig über ein wunderbares Restaurant im 10. Arrondisment gestolpert und waren begeistert http://parisbymouth.com/eat-intuition/
    Eine sehr freundliche Chefin, wunderbare Weine (ausschließlich von Winzerinnen) und sehr gutes Essen. Hier und da könnten Kleinigkeiten noch perfektioniert werden, aber das ist jammern auf hohem Niveau. Vielleicht wollen Sie es ja auch einmal ausprobieren.

    • 15. Januar 2013 13:43

      Vielen Dank, wir werden es auf unsere derzeit lediglich fünf Seiten lange Liste „Restaurants, die wir unbedingt testen müssen“ setzen …

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