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Wie ich einmal versuchte Fond zu kochen

16. Dezember 2011

Das kommt übrigens heraus, wenn ich versuche Fond zu kochen. Beziehungsweise, wenn ich versuche, mich an Anweisungen zu halten.

Aber ich kann das alles erklären! Ich muss nur etwas ausholen, damit ich nicht gar so blöd dastehe.

In diesem Haushalt bin ich fürs Fondkochen zuständig. Besser gesagt, ich habe mich dafür zuständig erklärt, weil das ungefähr meinem Kochtalent entspricht: Gemüse klein hacken, Huhn dazu, zum Köcheln bringen, weiter Bejeweled spielen gehen.

Fondkochen befriedigt außerdem mein tiefes Bedürfnis nach Vorratshaltung. Das liegt bei uns in der Familie. Der Vorratsschrank meiner Mutter war immer ausreichend gefüllt, um auf jede überraschende Begierde reagieren zu können, und sei sie noch so ausgefallen. (Dorschleber, anyone?) Mit dem aktuellen Inhalt ihres Tiefkühlers kann man ein halbes österreichisches Bundesland über die nächsten drei Atomkriege bringen. Meine Mutter friert sogar Wasser ein.

Ich vermute, dass einer unserer Vorfahren mal was mit einem Eichhörnchen hatte.

Das Geniale an Fondvorräten ist allerdings, was der Gatte draus macht. Er pochiert darin, er macht Saucen, er hat noch jeden meiner Kochversuche mit Fonds genießbar gemacht. Und mit seiner magischen Kochkraft.

Bei uns zuhause kannten wir Fonds nur aus dem Wirtschaftsteil.*  Wenn überhaupt, dann wurde hin und wieder ein Suppenwürfel über irgendwas drübergebröselt. Zumindest habe ich das später gemacht, wenn ich mal ganz fancy kochen wollte. Ich sehe zu viel Werbung, ich weiß.

Aber seit ich erlebt habe, was der Gatte aus Fonds machen kann, will ich ihm jederzeit eine ausreichende Menge davon zur Verfügung stellen.

In den ersten Monaten habe ich mir nicht viel dabei angetan. Diverse Gemüse beiläufig kleinschneiden, detto ein (Suppen-)Huhn, Wasser drauf, Bouquet garni dazu, zum Kochen bringen, Schaum abschöpfen, eine undefinierte Anzahl von Stunden vor sich hin köcheln lassen, feddisch. Für Gemüse- oder Kalbsfond das Ganze in grün.

Wolfram Siebeck bekam 1983 erboste Leserbriefe, weil er empfohlen hatte, das ausgekochte Huhn danach einfach zu entsorgen. Ich gebe zu, dass mir dieser sehr verschwenderische Teil des Fondkochens auch nie ganz angenehm war. Vor allem sind in Paris selbst die simplen Supermarkthühner immer noch schweineteuer. (Was auch daran liegen mag, dass ich sogar für Fond immer möglichst glückliche Hühner gekauft habe.) Ein Mal habe ich versucht, aus dem Strohfleisch eine Art Hühnerpâté zu machen. Doch darüber wollen wir den Mantel des gnädigen Schweigens breiten.

Dann stolperte ich über Michael Ruhlmans Anleitung, wie man aus den Karkassen von gegrilltem Gefügel genauso gut hervorragenden Fond bereiten kann. Der Gatte war damals, ich kann mich erinnern, eher skeptisch. Ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob meine ersten Versuche ihn überzeugen konnten. (Meine Vermutung wäre: eher nein.) Mittlerweile wird der Fond bei uns allerdings nur noch mit der ressourcenschonenderen Variante hergestellt.

Und irgendwann ist mir das mit dem Ehrgeiz passiert. Das kommt nämlich davon, wenn man zu viele Kochblogs abonniert hat und irgendwann glaubt, man könne das alles nachkochen.

Da hat nämlich Arthurs Tochter geschildert, wie das mit dem Fondkochen bei ihr so abläuft. Was soll ich sagen? Sie hatte mich bei „demi-glace“.

Das Problem ist nur, dass Frau Tochter für zurechnungsfähige Menschen schreibt. Die wissen, dass sie Angaben wie „bei voller Pulle in den Ofen“ oder „Dann lass es ruhig ein wenig qualmen.“ mit einem Körnchen Salz nehmen müssen. Die wissen, dass es zwar qualmen darf, aber auf keinen Fall anbrennen.

Koch-Bambi hingegen steht vor dem qualmenden Ofen und denkt nur: „Das wird schon stimmen so. Das gibt wahrscheinlich erst die richtige Würze.“ Bei Koch-Bambis Versuch, die Zutaten doch noch irgendwie vom Topfboden zu bekommen, bricht der Kochlöffel ab. Darauf denkt sich Koch-Bambi: „Na gut, dann lösch ich jetzt eben ab.“ Wenige Sekunden darauf blinzelt Koch-Bambi durch eine dichte, nach Noilly Prat duftende Nebelwolke auf die Hühnerknochen, die eigenartigerweise immer noch ziemlich schwarz sind. „Die hat gesagt, es muss rauchen“, presst Koch-Bambi durch die zusammengebissenen Zähne. „Das gehört so!“

Koch-Bambi macht unbeirrt weiter im Programm. Sie füllt mit Wasser auf, bringt ihren Fond wieder zum Kochen, lässt ihn viele Stunden vor sich hin köcheln, gießt ihn ab, kostet ihn, schüttet drei Liter angebrannt schmeckenden Hühnerfond in den Ausguss und beschließt, das nächste Mal einen Topf mit Teflonboden zu verwenden.

Und schreibt sich eine neue Erkenntnis auf die Liste: „Es darf nichts anbrennen.“

* Glauben Sie mir, der hat mir genauso weh getan wie Ihnen.

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2 Kommentare leave one →
  1. 4. April 2012 08:58

    Liebe Frau Neudecker,
    was soll ich sagen? 🙂
    Natürlich raucht es hier bei mir des Öfteren. In Töpfen, Pfannen und auch im Kopf. Und ich lasse auch nur selten etwas anbrenne, in Töpfen, Pfannen und im Leben. Und EINEN FOND SCHONMAL GAR NICHT! 🙂

    Ich bin mir aber ganz sicher, dass Sie das noch hinbekommen werden! Mit diesem Mann an Ihrer Seite, was soll sein?
    Ansonsten habe ich bei mir im Blog auch das Einbrennen einer Eisenpfanne beschrieben und wie ich anschließend Ehrenmitglied der örtlichen Feuerwehr wurde. Also wenn schon qualmen, dann bis zu letzten Konsequenz.

    Schöner Blog übrigens, ich schicke den jetzt gleich mal auf die Teilungsreise! 🙂

  2. 4. April 2012 13:29

    Ich finds herrlich. Hab das Grinsen beim Lesen gar nicht mehr aus dem Gesicht gekriegt.

    Immer schön weiter machen. Das wird noch mit dem Fond. Ich habe letztes Jahr das erste mal Kalbs-, und Wildfond gemacht. Seitdem kann ich auch Sauce aus dem Nichts zaubern.
    Aber an Demi Glace hab ich mich noch nicht rangewagt, obwohl mich die wabbelige Konsistenz schon sehr reizt.

    Herzliche Grüße

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