Wie ich einmal versuchte Selleriesuppe zu kochen

Unlängst bin ich in einem Kochblog über ein Rezept für eine einfache, aber angeblich trotzdem raffinierte Selleriesuppe gestolpert. (Einen Teufel werd ich hier auf das Rezept verlinken, die arme Frau muss sich ja nicht von völligen Untalenten ihren guten Kochbloggerinnenruf zerstören lassen.)
Das Problem … oder sagen wir, das eine kleine, versteckte Fuchsloch in einer ansonsten wunderbar glatten Wiese war nämlich, dass das Rezept in Wirklichkeit kein Rezept war, sondern eher eine grobe Handlungsanweisung inklusive Zutatenliste. Weil Selleriesuppe schließlich so einfach ist, dass sogar mein Vater das könnte. Und den lässt meine Mutter eigentlich nicht mehr in die Küche, seit er einmal in ihrer Abwesenheit mit meiner Schwester Palatschinken gemacht hat. Danach musste neu ausgemalt werden.
Meine Schwester war damals acht.
(Diese Geschichte ist selbstverständlich frei erfunden. Und dieser Widerruf hat nichts damit zu tun, dass mir mein Vater soeben mit Enterbung gedroht hat.)
Wie gesagt, deppensicher. Und ganz ehrlich, wer hier kann keine Selleriesuppe kochen?! Dafür also ein genaues Rezept für minderbemittelte Kochanfängerinnen zu schreiben, wäre so ähnlich wie die Zubereitung eines Butterbrots zu erklären. Man kann ja wohl voraussetzen, dass jemand, der es schafft, verletzungsfrei eine Küche zu betreten, auch mit den Angaben „Schalotte, Butter und Reis leicht anrösten, Sellerie dazugeben, aufgießen, weich kochen, pürieren, würzen“ einigermaßen zurecht kommt.
Als ob ich es nicht besser hätte wissen sollen. Aber wie heißt es so schön? Nachher ist man klug.
In der Zutatenliste war auch Milch angegeben. Und Gemüsefond. Und vielleicht ist es an dieser Stelle angebracht zu erwähnen, dass ich in Chemie immer eine Eins hatte. Und auch ansonsten nicht wirklich blöd bin. Aber ich greife vor.
Ich mache mich nach bestem Wissen (haha) und Gewissen ans Werk. Olivenöl statt Butter, wir sind hier ja cholesterinbewusst. Die Schalotten werden schön brav angeschwitzt, ohne dass sie braun werden.
Jedenfalls nicht allzu sehr.
Dann kommt der Reis dazu, wird mitgeröstet, dann kommt der Sellerie dazu, dann kommt der Gemüsefond dazu und dann kommt die Milch dazu. Dann widme ich mich wieder dem letzten Eugenides.
Als ich nach einigen Minuten (ich finde, Selleriesuppe ist schon groß genug, um allein vor sich hinkochen zu können) wieder in die Küche komme, blickt mir aus dem Topf dies hier entgegen:
Der ungustiöse Schlatz ist – jeder außer mir wird’s auf Anhieb wissen – das Milcheiweiß, das beim Kochen mit dem Gemüsefond ausgeflockt ist.
Nun ist es ja so: Ich WEISS, dass Gemüsefond Säure enthält. Himmel, ich habe oft genug selber welchen gekocht und ihn dabei jedes Mal ganz brav mit Weißwein abgelöscht! Und ich WEISS, dass Milch plus Säure gleich Klo. Und vermutlich wäre ich, hätte mich jemand gefragt, „Uuund? Worauf musst du aufpassen, wenn du deinen Gemüsefond und die Milch zusammenschüttest?“ nach weniger als 20 Minuten Bedenkzeit auf die richtige Antwort gekommen. Sogar ohne Gattenjoker.
Und eigentlich bin ich auf vorausschauendes Denken programmiert, seit mir mein zweiter fester Freund damals verboten hat, bei Wind einen Rock anzuziehen. Vielleicht bin ich aber auch schon dermaßen auf amerikanische Kochblogs geeicht, die einem schon bei der Zutatenliste sagen, in welcher Art von Müllsack man am besten den Abfall vom Gemüseschneiden entsorgt.
Es kam jedenfalls nicht zu einem vorausblickenden Denkprozess, dafür jedoch zu einem wenig appetitanregenden Anblick im Topf.
Ich entwickle kurz ein paar neue Schimpfwörter und hole den Gatten zu Hilfe: „Kann man das noch retten?“ frage ich in einer Mischung aus Verzweiflung und Wut, die mich in der Küche so oft überfällt.
Sein Gesicht ist ein einziges „Niemals!“ kombiniert mit einem höflich unterdrückten „Igitt“. Aus Angst um unsere Küchenmöbel überwindet er sich zu einem wenig überzeugenden: „Hm, versuch’s einmal. Du musst nur überall das Milcheiweiß abwaschen.“
Nur.
Wir erinnern uns: klein geschnittener Sellerie. Reiskörner.
Als mittleres von drei Kindern war mein Motto schon immer: Weggeworfen wird nichts. Wer weiß, wann mir meine Schwestern das nächste Mal einen Bissen übriglassen. Trotzdem beschließe ich, die Reiskörner zu opfern. Sollten es einige von ihnen doch noch schaffen, hatten sie es verdient, zu Suppe püriert zu werden. Darwin zu Ehren.
Ich wasche also 800 Gramm klein geschnittene Selleriewürfel unter fließendem Wasser ab. Zwei kleine Handvoll Reis entgehen dem Mülleimer. Das Ganze kommt zurück in den Topf mit der Kochflüssigkeit, die ich mehrfach durch unser Käseleinen gefiltert habe, und sieht wieder einigermaßen manierlich aus.
Ein paar Minuten dürfen sie noch köcheln, dann püriere ich alles mit dem Zauberstab. Ich binde mir den rechten Arm auf den Rücken, um nicht in Versuchung zu geraten, doch noch ein wenig Creme fraîche hineinzurühren. Eigentlich kann man alles mit Creme fraîche retten. Aber von Milcheiweiß habe ich für heute die Nase voll.
Ich gebe die Suppe für den Verzehr frei.
Der Gatte nimmt sich einen Teller und sagt: „Lecker, dein Selleriepürée.“
Frau Neudecker, ich finde Sie sind zu hart zu sich und Milch zusammen mit Säure ergibt schlicht Käse. Da ist doch nix schlecht dran. Der Pürierstab hätte alles wieder in Ordnung gebracht, auch ohne abseihen. T’schuldigung, dass ich so g’scheit rede, aber das Selleriepürree schaut doch echt ok aus!
Lieben Gruß aus Wien von Frau Ziii
SUPPE!! Es war eine SUPPE!!!
Na, die Zeitform ist doch richtig gewählt „war“ ;-). Ansonsten bewunder ich das IKEA-Prinzip: „Endecke die Möglichkeiten!. Außerdem ist doch der Geschmack wesentlich relevanter als die Bezeichnung. Manches was einen durchaus wunderschönen poetischen Namen hat würde einen nach dem Verzehr nur zu nicht druckreifen verbalen Äußerungen bringen. In diesem Sinne weiterhin viel Kreativität in der Küche.
Lieben Gruß Mörchen
Bekannt ist ja schon lange das das andere Geschlecht manchmal mit Aufmerksamkeit zu wünschen übrig lässt:) aber mal den Spaß beiseite, ich habe auch bisher nur einmal weniger erfolgreich versucht eine Sellerie Suppe zu Kochen. Der unterschied war nur das in meiner Familie niemand Sellerie mag demnach war die Begeisterung sowieso ungewöhnlich hoch 🙂