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Schatz, komm essen, die Suppe wird warm!

13. September 2012
Was ich am Kochen noch immer nicht ganz verstehe: Die Menschheit kocht seit – grob geschätzt – tausend Jahren. Und trotzdem findet man, wenn man nach dem besten Rezept für Sauce Bolognese sucht, ungefähr fünf verschiedene „beste“ Rezepte. Für Chili findet man vermutlich nicht weniger als fünfzig – die selbstverständlich alle to-tal authentisch sind. Und auf wie viele Arten man ein Huhn nun aber wirklich braten sollte, darüber haben wir ja schon gesprochen.

Man ist sich immer noch nicht einig, ob Schaumabschöpfen beim Suppekochen wirklich notwendig ist. Eline sagt nein. Die rührt auch ihre Risotti nur mehr hin und wieder um.

Wir Kochanfänger wollen einfach „Das Beste Rezept“ haben, das kann doch nicht so schwer sein! Bei der Bolognese, zum Beispiel, hat sich der Guardian schon einmal die Arbeit angetan, einige der „besten“ Rezepte zu vergleichen. Das fand ich sehr nett von denen, auch wenn ich sie dann etwas anders gemacht habe.

Deswegen war ich hocherfreut, als ich in meiner neuesten Kochbuch-Neuanschaffung (ich weiß, wir haben ja schließlich noch nicht genug Kochbücher) ein weiteres Bolognese-Rezept fand, das von Ferran Adrià. „Hey, wenn DER nicht das beste Rezept hat, wer sonst?“ dachte ich mir, sah dann, dass er weder Knoblauch noch Milch verwendet und war erst recht wieder verwirrt.

Nicht, dass ich eine Ahnung habe, was die Milch in der Bolognese macht. Aber als Ahnungslose findet man das jedenfalls total tricky und raffiniert und steht schon allein deshalb drauf.

Schätze, um wirklich herauszufinden, welches Rezept das – für mich – beste ist, muss man die Kandidaten parallel verkosten. Weil ich für mein Teil habe ja keinen so elaborierten Gaumen wie der Gatte, dass ich mir auch noch drei Wochen später noch die letzten Geschmacksnuancen eines Gerichts gemerkt hätte.

(Wobei ich sehr versuche, jene der pots au chocolat von Greg Marchand in mein Hirn einzubrennen, bis ich sein Rezept endlich zuhause so hinkriege, wie es bei ihm geschmeckt hat. Wir halten derzeit beim dritten Versuch – die entsprechende Erfolgsmeldung könnte also noch ein wenig auf sich warten lassen …)

Da mich Adriàs Bolognese, ehrlich gesagt, nicht besonders interessierte (viel zu einfach, pah!), und sich der Gatte außerdem eine Vichyssoise gewünscht hatte (vermutlich, um etwaige andere Experimente meinerseits zu verhindern), wurde die also für den ersten Doppel-Blind-Test auserkoren.

Als Kandidaten traten an: Adriàs Rezept sowie DER Klassiker aus dem TimeLife-Kochbuch „Die Küche in Frankreichs Provinzen“. (Marie-Odile, ich hätte dich natürlich auch nach deinem wunderbaren Rezept fragen können. Aber DREI Suppen auf einmal zu kochen … j’arrive pas!)

Die grundsätzlichen Unterschiede zwischen beiden: TimeLife verwendet Kartoffeln, Lauch, Hühnerbrühe und Sahne. Punkt. Adrià nimmt zusätzlich noch eine rote Zwiebel und ein bisschen Butter mit hinein. TimeLife hat etwas mehr Kartoffeln und Hühnerbrühe, Adrià einen Hauch mehr Lauch.


(Links oben TimeLife, rechts unten Adrià)

TimeLife kocht Kartoffeln und Lauch in der Hühnerbrühe, dreht sie durch die Flotte Lotte und passiert sie dann noch einmal durch ein Haarsieb. Dann kommt die Sahne dazu.

Adrià schwitzt die Zwiebel in Butter an, fügt dann den Lauch hinzu, dann die Kartoffeln, gießt mit Brühe auf und kocht alles 30 Minuten. Dann püriert er die Suppe mit dem Zauberstab (wovor TimeLife ausdrücklich warnt und gleich nach dem Riechsalz-Fläschchen greift) und streicht sie auch noch einmal durch ein Sieb.

Die ganze Passiererei wird dafür verantworlich sein, dass der Gatte diese Suppe nur an hohen Festtagen bekommt. Wenn er seine Socken nicht mehr verkehrtherum in die Wäsche gibt, zum Beispiel.

Beide Suppen sollen, sonst wär’s ja keine Vichyssoise, eiskalt genossen werden. TimeLife serviert mit Schnittlauch, Adrià legt ein 3-Minuten-Ei in die Mitte, garniert mit Croûtons und gießt noch ein wenig Olivenöl drüber.

Doch vor all diesem Firlefanz wurde erst die Blind-Verkostung vollzogen. Zu unser beider großer Überraschung gewann … Adrià! Seine Version war irgendwie runder, vollmundiger, leckerer. Und das trotz Mixstab! (Oder vielleicht sogar wegen?)

Der Gatte meinte, es könnte an dem bisschen Butter liegen, in der die Gemüse angeschwitzt werden. Ich könnte mir vorstellen, dass es die Mixstab-Mixerei ist, die ja Kartoffeln üblicherweise zu einem kleberähnlichen Brei vermatscht, der hier aber wiederum für mehr Bindung sorgt.

Wie auch immer. Falls in den nächsten Minuten keine weiteren Kandidaten auftauchen, ist Ferran Adriàs hiermit mein „bestes Rezept“ für Vichyssoise. Sie wird das nächste Mal serviert, wenn hier die Temperaturen wieder über den Nullpunkt steigen.

PS: Diesmal gelernt: Nicht alles, was französisch klingt, muss auch französisch sein. Nachdem unser Käsemann nicht nur noch nie etwas von einer Vichyssoise gehört hatte, sondern sich auch bei jedem Versuch, den Namen auszusprechen, die Zunge brach, fiel mir wieder ein, dass diese Suppe in New York erfunden worden war und in Frankreich – auf warm – einfach Potage Parmentier heißt.

6 Kommentare leave one →
  1. mob permalink
    24. September 2012 15:47

    Leider meine Vichyssoise war fast ganz Klassik – Ich soll bald dein“ bestes Rezept “ probieren.
    Marie-Odile

  2. Claudia von Dinnerumacht permalink
    24. September 2012 19:35

    Hätte da noch was soissiges mit Zitronengras anzubieten: http://www.dinnerum8.de/?p=1328
    Die Gästeschaft war angetan.
    lg, Claudia

  3. 27. Dezember 2012 14:00

    Du sprichst mir aus der Seele. Man muß nicht alles so machen, wie man es angeblich machen muß. Der Schaum in meiner Suppe verschwindet beim Weiterkochen von selbst, und meine Risotti finde ich perfekt, obwohl ich zwischendurch zum Rühren aufhöre und die Küche aufräume. Meine Bolognese wird jedes Mal anders, je nachdem, was gerade im Kühlschrank ist, aber immer gut, finde ich. Die besten Rezepte sind für mich die, die jeder nachkochen kann ohne beim Haubenkoch gelernt zu haben. Liebe Grüße, Jule

  4. 18. Februar 2013 21:03

    Schaum abschöpfen und Risotto rühren ist voll Achtziger. Meine Vichysoisse (erfunden von Louis Diat, seines Zeichens Chefkoch des Ritz-Carlton in New York) mache ich nach Siebeck. Selbstverständlich wird sie püriert (maschinell, yeah!) und durch ein Sieb gestrichen. Und die Sache mit dem Onsen(?)Ei wird demnächst (im Sommer) dazukombimiert. Ist das Adria-Rezept aus seinem Buch „Familienessen“?

  5. 19. Februar 2013 19:06

    pfff…
    Bis ich das alles gelesen, verstanden und hier unten kommentiert habe, habe ich lange vergessen, dass es oben einen link gibt.

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