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Zu viele Kochblogs verderben den Brei?

18. April 2012

Ich habe gerade nachgezählt: Ich habe nicht weniger als 37 Kochblogs sowie Blogs, die sich mit Essen & Trinken beschäftigen, abonniert. Es sind nicht noch mehr, weil ich vor kurzem eine Aufnahmesperre verhängt habe. Weiters sind auf meiner Festplatte über 240 Rezepte gespeichert, auf meinem iPod touch noch einmal mehr als hundert. Wenn ich sie durchblättere, stoße ich andauernd auf Rezepte, die ich „unbedingt auf der Stelle“ nachkochen wollte. Wobei „unbedingt auf der Stelle“ hier als Synonym zu verwenden ist für „bis mir das nächste Rezept im nächsten Kochblog unterkommt, das ich unbedingt auf der Stelle nachkochen will“. Ich habe in dieser Hinsicht die Aufmerksamkeitsspanne einer Maccaroni. Einer ungekochten.

Ich platze dem Gatten mindestens drei Mal pro Tag mit den Worten „Ich hab da ein super Rezept gefunden!“ ins Arbeitszimmer. Ich finde selbstverständlich täglich mehr als drei, aber die restlichen zwölf schicke ich ihm, damit er nicht aus der Konzentration gerissen wird, lieber per Mail. Hin und wieder hat er noch Zeit, Bedenken zu äußern, worauf das Rezept zu „Werde ich irgendwann ausprobieren, wenn er nicht da ist“ degradiert wird. Hin und wieder aber entwickle ich ungeahnte Tatkraft und gehe unverzüglich ans Werk.

Oft genug wird er dann doch aus der Konzentration gerissen, vor allem, wenn ich laut genug fluche. Vater Theresa, der er ist, lässt er seine Titelgeschichte dann Titelgeschichte sein, kommt in die Nähe der Küche und erkundigt sich aus sicherer Entfernung nach dem Problem. „DIE hat gesagt, das gehört so“, zische ich ihn daraufhin oft an und halte ihm einen verkohlten Topf hin. „Wer … DIE?“ fragt er meistens zurück, worauf ich nur noch kleinlaut „Na, die aus dem Blog“ nuschle.

Er seufzt dann meistens tief, beißt sich die Zunge blutig dabei, nicht „Ich hab’s dir ja gesagt“ zu sagen, geht zurück in sein Arbeitszimmer und dreht die Musik lauter.

Mittlerweile versuche ich, diesen Dialog zu vermeiden, indem ich einfach nicht mehr fluche. (Sobald ich das erst einmal drauf habe, ist Übers-Wasser-Wandeln nur noch ein Kinderspiel.)

Es ist nämlich so, dass der Gatte nicht wahnsinnig viel von Kochblogs hält. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Er ist ein glühender Fan von Blogs, immerhin hat er selbst eines der ersten in Deutschland geschrieben. Aber beim Kochen ist er Old School. „Wir haben ein ganzes Regal voller Kochbücher“, pflegt er zu sagen. Oder auch: „Willst du nicht erst schauen, ob’s dieses Rezept nicht auch im Buch von Haeberlin gibt? Oder im Uecker?“ Wenn ich es genau bedenke, war er Kochblogs gegenüber vielleicht noch gar nicht so skeptisch eingestellt, bevor er mich kennenlernte.

Weil, nicht dass wir zu wenige Kochbücher hätten.

(Man beachte die teilweise bereits durchgerissenen Regale und die verdächtig bauchigen Seitenteile. Das in den alten Klassikern ist eindeutig keine leichte Küche.)

Der Rest steht übrigens neben meinem Schreibtisch, weil ich irgendwann endlich ihn hier durcharbeiten will.

Oder ihm hier noch eine Chance gebe.

Oder dies hier lese, um endlich ein paar grundsätzliche Vorgänge zu kapieren.

Ich könnte auch endlich etwas aus diesen jungfräulich unberührten Wälzern nachkochen.

(Die Gebrauchsspuren kommen von den gefühlt zwanzig Umzügen, die wir hier in Paris schon hinter uns haben, aber das ist eine andere Geschichte.)

Den entscheidenden Unterschied zwischen Kochbüchern und -blogs machen für simple Gemüter wie mich die Bilder. Blogger fotografieren brav alles, was sie kochen, inklusive der Zwischenschritte, damit man mittendrin kontrollieren kann, ob das eh so soll. In Kochbüchern hingegen erhöht jedes Bild nur die Druckkosten.

Ich jedoch schaffe es beim besten Willen nicht mir vorzustellen, wie ein Gericht am Schluss aussehen, geschweige denn schmecken könnte, wenn ich lediglich die Zutatenliste und eine Anleitung vor mir habe. (Diese Fähigkeit sitzt vermutlich auf dem selben Chromosom wie das Orientierungsvermögen.) Eine Zutat plus eine Zubereitungsart kriege ich gerade noch hin. Kartoffeln. Kochen. Kein Problem. Aber wenn man hier etwas anschwitzt, dort etwas zu einer Suppe kocht und am Schluss alles zusammenschüttet, steige ich aus.

Klassisches Beispiel? Meine Freundin M. hat mir vor kurzem von einem Rezept aus dem Ottolenghi vorgeschwärmt. Gefüllte Weißkohlpäckchen oder so ähnlich.

M: Da schlägt sich sogar J. immer den Bauch voll!

Ich: Davon hab ich noch nie gehört. In welchem Buch ist das?

M: Na, in dem Genussvoll vegetarisch! So ein rotes Buch.

Ich: Das hab ich doch auch! Aber bei mir ist das nicht drin!

M: Schau noch einmal!

Ich (im Inhaltsverzeichnis blätternd): Oh … richtig … Ist bei mir doch auch drin …

Es war selbstverständlich ein Rezept ohne Bild. Deshalb also Kochblogs. Man ist ja auch ein optischer Mensch.

Die Gefahr bei Rezepten in Kochblogs ist allerdings, dass sie vielleicht doch hin und wieder ein wenig, öhm, überverkauft werden. Dieser Verdacht keimt in mir jedenfalls umso stärker heran, je öfter ich etwas nachkoche, das nicht nur im Blog selbst über jeden Klee gelobt wird, sondern von dem auch in den Kommentaren in höchsten Tönen geschwärmt wird. Und das, wenn ich es nachkoche, bei mir irgendwie nur meh schmeckt. Selbst wenn ich ausnahmsweise nichts habe anbrennen lassen.

Allmählich geht mir immerhin auf, dass die Kommentare meistens von dem schwärmen, was auf den Fotos zu sehen ist. Und die meisten Kommentatoren zwar, siehe oben, beschließen, das unbedingt auf der Stelle nachzukochen, es aber dann entweder nicht tun oder sich danach nicht mehr über das Ergebnis äußern. Und dass die Blogger/innen ihre Rezepte so anpreisen müssen, weil sie a) sonst von niemandem mehr gelesen werden und b) sich verdammt viel Arbeit umsonst machen würden, wenn sie wirklich nur die außergewöhnlich guten Rezepte posten.

Da lob ich mir doch jene Blogs, die erst gar keine falschen Versprechungen machen.

Wiederum andererseits sind die Kochbuchklassiker gern ein paar Jahrzehnte alt, und einige Kochblogs mehr als nur auf der Höhe der Zeit. Im Haeberlin finde ich jedenfalls sicher nichts über Sous-Vide-Kochen. Aber das eine muss das andere ja nicht ausschließen. Ich mache mich jetzt jedenfalls einmal an die Weißkohlpäckchen.

18 Kommentare leave one →
  1. 22. April 2012 19:45

    Was Ihnen mit den Kochblogs passiert, passiert mir auch gern mit Kochbüchern. Ein paar befinden sich mittlerweile auch in meinem Besitz, teils selbst erworben, teils geschenkt bekommen. Davon ist ein Teil aber auch noch immer original verschweißt in seiner Folie …

  2. Daniel permalink
    23. April 2012 08:02

    Beides kann überbewertet sein. Rezepte bei chefkoch haben zB meist (bei der entsprechenden Wertung) auch Gelinggarantie, aber die „feine Küche“ wird man da nicht finden.

    • 23. April 2012 08:34

      Stimmt, chefkoch.de ist eine gute Anlaufstelle, vor allem, wenn ich schnell eine Anleitung für z.B. eine Standardsauce brauche. Und da werden auch nicht die Fotos bewertet, sondern die Rezepte.

      • 23. April 2012 08:41

        Ich sehe die Time Life Kochbücher aus den 60ern im Regal! Ich liebe diese Bände! Das waren noch gut recherchierte Kochbücher (auch wenn man nicht mehr alles so kochen würde) und vom Yotam kann man schon was lernen und manchmal ziemlich angeben!

      • 23. April 2012 08:55

        Na, herzlichen Dank auch! Der Gatte hat gerade so viel Bestärkung bekommen, dass ich in Zukunft wahrscheinlich sogar vor jedem Butterbrot die Time-Life-Bücher durcharbeiten muss, ob’s dort nicht ein „richtiges“ Rezept gibt! There goes our Cholesterinspiegel …

        Ich hab jetzt übrigens ein abonniertes Kochblog mehr!

  3. 4. Juli 2012 12:43

    Hallo,

    nun ich finde Kochblogs an Ideengeber sehr gut. Gekocht habe ich danach noch nie. Wenn ich etwas gefunden habe was mich interessiert und auch bei mir ist das nicht wenig, dann schaue ich in meinen Kochbüchern nach ob und wo ich die Basis-Rezepte oder ähnliche finde und probiere teilweise selber herum und experimentiere. Den wenn ich ehrlich sein darf, ich habe schon so viele Rezepte aus Büchern nachgekocht und sie wurden auch nicht gut. Ich denke das beste ist die eigene Erfahrung beim Kochen, dann kan man auch experimentieren mit den Ideen die man im Internet findet.

  4. Cornelia permalink
    4. Juli 2012 14:32

    Ich kann noch was empfehlen, wenn’s schnell gehen soll und die entsprechenden Arbeitsanweisungen der grauen Zellen ausbleiben: http://www.atelierdeschefs.com auf youtube. Gute Basisrezepte und Demonstrationen von Kochtechniken. Immer klar und nachvollziehbar – im Gegensatz zu den meisten Kochbüchern.

  5. 6. Oktober 2012 10:46

    Das mit den ganzen Kochblogs, die mehr Schein als Sein sind, kenne ich zu gut. Sie verkaufen eigentlich doch nur ihre schönen Bilder. Wenn ich mir aber die Werke von Hobbyfotografen ansehen will, dann suche ich mir entsprechende Seiten 😉

    Toller Beitrag!

  6. 7. Februar 2013 13:34

    ich finde die Rezepte-Deppensicher immer gut. Für mich als Gerne-Kocher-Aber-Nicht-Kochen-Könner!

  7. 30. Mai 2013 11:48

    Mir gehts genau so. Ich sammel und sammel nur mit dem nachkochen ist es immer schwer, denn die zeit fehlt einfach. Bei dem Input an guten rezepten ist es auch schwer sich zu entscheiden

  8. 29. Juni 2013 13:17

    Ich bin generell Blogsüchtig, bei Kochblogs kommen auch häufig ähnliche Rezepte vor, deshalb habe ich nur noch die ‚besonderen‘ aboniert, die auch mal etwas ungewöhnliches, ’noch nie gesehenes‘ bloggen

  9. 22. Dezember 2014 00:54

    haha. Nachkochen 🙂 meine Erfahrung: Evernote ist voll mit tollen Rezepten und wenn ich dann mal was machen möchte fehlt es an irged etwas, so das es nicht oder nur in abgewandelter Rezeptur geht.

  10. 11. Juni 2015 13:23

    Ich sammel auch immer viel mehr Rezepte als das ich die alle nachkochen könnte 😀 Aber die Auswahl ist einfach so riesig 😀 Ich drucke immer fleißig aus und entscheide dann spontan vorm Einkauf worauf ich Lust habe 😀

  11. 19. März 2016 21:27

    Mir gehts genau so. Ich sammel und sammel nur mit dem nachkochen ist es immer schwer, denn die zeit fehlt einfach. Bei dem Input an guten rezepten ist es auch schwer sich zu entscheiden.

    LG,
    Sabine

  12. 18. April 2016 16:24

    Geht mir ebenfalss so, ich suche fast täglich nach guten Rezepten und bin schon auf so vieles gestoßen, ich weis schon gar nicht mehr mit was ich anfangen soll. Mittlerweile mach ichs so, ich such mir en passendes Rezept aus, dann schließ ich sofort die Seite und fang an 😀 ansonsten sitz ich ewig da un kann mich nicht entscheiden.

  13. 11. Mai 2016 07:43

    Gezählt habe ich meine abonnierten Kochblogs noch nicht, aber es sind einige. Ich liebe einfach die Inspiration und Abwechslung 🙂
    Erstaunlich finde ich aber, dass es von dem, was ich nachkoche, nur selten ein Gericht auf den regelmäßigen Speiseplan schafft. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber bei uns bleibt es oft beim einmaligen Nachkochen…
    Jetzt, wo ich zum ersten mal selbst versuche Rezepte niederzuschreiben, merke ich aber auch wie anspruchsvoll das ist!

  14. 27. Oktober 2016 10:00

    Hi,

    Kochblogs gibt es wie Sand am Meer. Ich finde aber sehr spannend, dass sie sich alle sehr stark unterscheiden. Das kommt auch in den Interviews auf meinem Blogs zum Vorschein.

    MFG Philipp

  15. 16. Dezember 2016 13:25

    Hallo,

    ich finde wer es mag soll im Kochblog oder im Kochbuch seine Anregungen holen, viel haben leider das Vertrauen in die eigene Kochkunst verlernt und kochen bis auf dem
    Gramm alles nach.

    Die ganze Kochblogs mehr Schein als Sein, ein gutes Essen kann jeder zubereiten, lasst nur eure Fantasie freien lauf und vertraut auf eure Fähigkeiten, wichtig ist nur ein das Ihr eure Zutaten frisch sind, holt wenn möglich eure Zutaten vom Markt etc.

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