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Keine Atempause. Gerichte werden gemacht. Es geht voran.

22. April 2012
Wenn man längere Zeit in einer neuen Stadt lebt, aber doch noch nicht lange genug, kommt irgendwann die Phase, in der man übermütig, lässig, gar nachlässig wird. Man glaubt, sich jetzt eh schon auszukennen, hat sich außerdem von den Parisern diesen gewissen „Paris? Jaja, schöne Stadt, aber sooo viele Touristen in meiner Métro!“-Gesichtsausdruck abgeschaut, den sie immer machen, wenn sie in der U-Bahn selbstvergessen ihre iPhones fixieren. (Die Pariser haben eben ein Gefühl dafür, was zusammenpasst.)
Das ist dann die Phase, in der man sich andauernd verfährt.

Sie kommt umso früher, je heftiger man zuvor über all die Paris-Groupies abgelästert hat.

Sie dauert umso länger, je öffentlicher man dies getan hat.

Der Kochneuling durchläuft eine ähnliche Phase der Hybris. Vor allem jener Kochneuling, der jeden Tag viel zu viele Kochblogs liest. Ich nenne das auch gern den Wimbledon-Effekt: Jeden Sommer, wenn ich im Fernsehen ein paar Tennismatches zu viel gesehen habe, bin ich überzeugt, mich selbst jederzeit auf den Platz stellen zu können. Vielleicht nicht direkt in Wimbledon, aber Kreisliga ohne Probleme.

In den Kochblogs sieht alles so einfach aus, so aus dem Ärmel geschüttelt. Man wird übermütig und beginnt zu improvisieren.

Heraus kommt dann zum Beispiel das hier.

Ich könnte jetzt ein Mörder-Gewinnspiel ausrufen und den Porsche am Schluss selbst behalten. Es kommt ja doch niemand drauf, was das hätte werden sollen. Also gut, ich verrate es: gebackene Kürbis-…äh, -teile. Im Rohr gebacken, ganz schlank, ohne Fett. (Das hier ist übrigens bereits das Nachher-Foto.) Linienschonend waren sie allerdings tatsächlich: Sie sind ohne Umwege im Müll gelandet.

In den Tagen zuvor hatte ich offensichtlich etwas zu oft von panierten Hühnerteilen gelesen, die man ganz weightwatcherig im Ofen backen kann. Weshalb die völlig logische Assoziationskette angestoßen wurde: Ich mag Kürbis → Ich mag Schnitzel → Wenn man Schnitzel auch ohne Fett im Rohr backen kann, dann → kann man das doch sicher auch mit Kürbis.

Sie dürfen sich das Foto gern für Ihre nächste Diät an den Kühlschrank hängen.

Man wird aber auch mit Kleinigkeiten schleißig. Wenn der Gatte beispielsweise aufträgt, Eier hart zu kochen, ist man natürlich schon längst zu groß, um noch peinlich auf die Uhr zu schauen. Das hat man als Köchin doch im Gefühl!

Gefühle trügen. Sagte schon meine Mutter.

Ich muss an dieser Stelle vermutlich nicht extra erwähnen, dass ich nur ein paar Tage später kernweiche Eier im Glas mit Messer und Gabel servieren musste.

Aber so, wie hier gerade eben nach jedem Regenguss doch wieder die Sonne durchkommt, findet auch das blinde Huhn hin und wieder das Licht am Ende des Tunnels. Voilà, meine heutige Eigenkreation!

Das Schwarze ist in Wirklichkeit rot, nämlich im Ofen gebackene rote Bete (in meiner Sprache: rote Rüben). In Folie einwickeln, bei ca. 220 Grad (der Gatte dreht immer voll auf) ungefähr 90 Minuten ins Rohr. Dünn aufschneiden, Balsamico drüber, Ziegenfrischkäse (hier: Palet frais) drüber, ein bisschen Akazienhonig drüber, geröstete Pinienkerne oben drauf.

Es ist nicht die Neuerfindung des Rades, ich weiß, und an der Präsentation kann man auch noch ein bisschen arbeiten. Aber hey – es war genießbar!

Ich finde jedenfalls, dass ich jetzt bereit bin, mein erstes Soufflé zu probieren.

Möge Gott uns beistehen.

One Comment leave one →
  1. 22. April 2012 23:11

    An welches Lied erinnert mich der Titel dieses Blogs nur? *Grübel*

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