Es wird heller, sehe ich da ein Licht am Horizont …?

Pssst, wir wollen jetzt hübsch leise sein! Irgendwer da oben (oder wohl eher da unten) hat nämlich in den letzten Tagen vergessen, mir bei meinen Kochversuchen das übliche Haxl zu stellen. Er scheint wohl damit beschäftigt zu sein, anderswo sein Unwesen zu treiben. Griechenland? Fußball-EM? Valerie Trierweilers Twitter-Account?
Deswegen also ganz vorsichtig: Nein, wir haben uns in den vergangenen Tagen nicht zur Sicherheit nur noch von Liefer-Sushi ernährt. Au contraire! Wir haben beispielsweise Basilikumgnocchi (aus Nicole Stichs Kochbuch) bekommen.
Sind – zugegeben – nicht so hübsch wie die im Buch, aber die Augen haben diesmal ohnehin nicht mitgegessen, sondern ferngesehen. Ich habe nicht einmal dann aufgegeben, als das Basilikumpürée plötzlich würgbraun wurde. Stattdessen habe ich mein neues Mantra gechantet: Das soll so. Das soll so. Das soll so. Erste Anzeichen von Hospitalismus? Mein Therapeut sagt, es geht noch.
Wie überhaupt konnte ich Gnocchi jemals aus den Augen verlieren? Sie sind immerhin so ziemlich das einzige Gericht, das selbst Bescheid gibt, wenn es fertig ist. Gnocchi sagen dann nämlich „plopp“. Ich liebe sie!
Nächste Woche gibt es dann Gnocchi mit Thymian (Idee vom Gatten) und Zitronenzesten (Idee von mir!).
Apropos Gatte. Der hatte sich wieder ein paar Dienstreisen in die französische Provinz organisiert. Lediglich an Tagen, an denen er nicht mit einem riesigen Blumenstrauß vor meinem Zimmer steht, verdächtige ich ihn, dass er nur deshalb so viel herumreist, um meiner Kocherei zu entgehen. Andererseits pflegt er zu sagen, dass man auch in Frankreich problemlos schlecht essen kann, und dass er sich dann gleich wieder wie zuhause fühlt.
Der Charmeur!
Wenn er weg ist, kann ich freestylen. Unsere kulinarischen Ansprüche sind halt schon ein bisserl unterschiedlich. Und wenn er nicht da ist, muss ich nicht so viel Wert auf das Aussehen legen. Oder auf den Geschmack. Bei uns ist immer noch alles weggekommen. Alte Familientradition.
Wenngleich es unwahr ist, dass der häufigste Satz, den ich in der Küche äußere, lautet: „Ja klar kann man das noch essen!“
Ich habe also Reisrollen mit wüster Marinade gemacht. Wenn sich irgendwo Lernerfolge manifestieren, dann hier. Hat der Gatte früher vorgeschlagen, ich solle doch eine Salatmarinade rühren, bin ich meistens mit peinlichem Grinsen, verknoteten Fingern und einem debilen „Äh …“ auf den Lippen dagestanden.
Jetzt nicht mehr! Jetzt jongliere ich mit Mirin, Reisessig, geriebenem Knoblauch, geriebenem Ingwer, Sojasauce, Zitronenzesten, Limettensaft, Orangensaft, Batteriesäure – was eben in einer normalen Küche so herumsteht. Und siehe da: Man kann da offensichtlich wirklich nicht viel falsch machen!
Es wurden wüst marinierte Reisrollen mit Karottenjulienne (natürlich vorher blanchiert! Was bin ich, eine Anfängerin?), Zucchinisticks und testhalber gegrillten Auberginen. Wenngleich ich die Auberginen beim nächsten Mal vielleicht auch eher klein schneiden werde …
Was soll ich sagen? Ja klar konnte man das essen!
Mein neuester Geheimtrick ist ja ohnehin geriebene Limettenschale. Ab sofort kommt die bei mir überall drauf. Und ich meine: überall.
Hier erkennt man sie vor lauter Grün nicht, aber es handelt sich um Linguine mit Limettensaft, -schale und Olivenöl sowie Erbsen und gebratenen Artischoken. Eine eheliche Koproduktion, zu der wir uns gegenseitig nicht genug gratulieren konnten.
Im Rausch habe ich die restliche Schale dann gleich über eine Melone gestreut.
War jetzt auch nicht wirklich schlecht, wenn ich das ausnahmsweise sagen darf.
Vielleicht hatte mich nach vier genießbaren Gerichten der Übermut gepackt, vielleicht werde ich doch langsam erwachsen – jedenfalls habe ich mich tags darauf von Bolli’s Kitchen dazu verführen lassen, zum ersten Mal Muscheln zu kochen. Bolli verwendete pétoncles, laut Pons „Archenkammmuscheln“ (wofür ich jetzt gern die deutsche Übersetzung hätte), laut Bolli Pilgermuscheln. Die gäbe es nur selten, schreibt Bolli. Bei unserem Fischhändler jedenfalls gar nicht, weshalb ich zu dem gegriffen habe, was ihnen am ähnlichsten sieht und auch mit P beginnt: Palourdes, laut Leo Venusmuscheln.
Bolli warnte gleich, dass Palourdes gern mehrere Sandstrände mit sich herumschleppen und man sie deshalb gut wässern sollte. Als meine nach zwei Stunden immer noch kein einziges Sandkorn von sich gegeben hatten, beschloss ich (freestyling!), sie nicht wie geplant in der Tomatensauce zu kochen, sondern separat im Ofen. Auch diesen Trick hatte ich bei Bolli gefunden, und er ist schlicht genial. Man legt die Muscheln ohne irgendwas sonst in den Ofen und nach ein paar Minuten ploppt eine nach der anderen auf.
Ok, ich korrigiere mich hiermit: Gnocchi sind nicht die einzigen, die bekannt geben, wann sie fertig sind.
Sicherheitshalber haben wir die ausgelösten Muscheln dann noch gründlich unter fließendem Wasser abgewaschen. Das war übrigens der Moment, an dem ich dem Gatten die nicht unwesentliche Frage stellte: „Sag, mag ich überhaupt Muscheln?“ Er machte daraufhin mein Marinadegesicht.
Geholfen hat alles nichts. Der Gatte hat beim Essen mehr mit den Zähnen geknirscht als ich bei Markus-Lanz-Sendungen und kann sich hiermit die nächste Zahnreinigung sparen. Meine Muscheln waren zufällig und sehr ausnahmsweise nahezu sandfrei (normalerweise habe ich immer den Schotter im Essen), trotzdem wird das mit den Palourdes ein One-Night-Stand bleiben.
Ich warte jetzt, bis unser Fischmann auch einmal pétoncles hat und werde bis dahin versuchen, nicht doch noch mit den ganzen P-Namen durcheinander zu kommen.
Und nachdem ich gerade einen Bolli-Lauf habe (oder sie einfach immer Gerichte postet, die bei mir Speichelfluss auslösen), gabs gestern noch einmal Linguine, diesmal selbstgemacht!, mit Zucchini und Langustinen. (Die Zucchiniblüten habe ich aus Spinat nachgeformt.)
Die Kochaktion hat sich zwar pasta-bedingt bis ins Wohnzimmer ausgebreitet.
Aber ich kann mit Stolz behaupten, dass der Gatte während des Essens durchaus Schwierigkeiten hatte, gleichzeitig wie üblich dem russischen Fußballteam die entscheidenden taktischen Hinweise zu geben, wie sie das verdammte Match endlich für sich entscheiden könnten. Ja, so angetan war er!
Das Geheimnis scheint bei diesem Rezept in dem Fond zu bestehen, den man aus den vorderen Hälften der Langoustinen bereitet und mit dem man das Gemüse ablöscht. Den riecht man zwar immer noch in der ganzen Wohnung, aber das wars wert.
Was ich davon halte, Schalentiere erst einer gewissen Körperhygiene unterziehen zu müssen, habe ich schon an anderer Stelle kundgetan, aber Kochen ist eben manchmal eher grauslich.
Ich könnte mich trotzdem von den Viechern ernähren.
Heute bleibt die Küche kalt, aber für morgen überlege ich schon, welchem Angstgegner ich mich in der Küche noch schnell stelle, solange Werauchimmer anderweitig beschäftigt ist. Wenn Deutschland heute verliert, bin ich jedenfalls nicht schuld.
habe auch gerade mit der pasta-produktion gestartet, aber ich hab mir vorher einen pastaständer gekönnt – das spart das putzen im wohnzimmer hinterher 😉
Das Linguine-Rezept werde ich demnächst auch mal nachkochen!
Batteriesäure. Hm… Und die Zitronenzesten? Selbst „hergestellt“?
Klar, das ist ja wirklich simpel!
Für mich ist NICHTS simpel
Zitrone/Limette (Bio!) sicherheitshalber heiß abwaschen, trockenreiben, und dann entweder mit einem Zestenreißer oder einem Sparschäler dünn schälen, oder die Schale einfach mit einer Reibe abraspeln. Voilà!
Liebe Frau Neudecker,
wenn Sie mir nicht sowieso schon soo sympathisch wären, und ich mich wie ein Kind beim Sackhüpfen über Ihre postings freuen würde, spätestens hiermit: „Der Gatte hat beim Essen mehr mit den Zähnen geknirscht als ich bei Markus-Lanz-Sendungen…“ wären Ihnen meine Sympathien sicher!
Weiterhin soviel Erfolg wie in den letzten Tagen wünsche ich Ihnen!
Ich nehme die vielen Konjunktive zurück: Meine Sympathien gehören Ihnen in jedem Fall! 🙂