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Hamburg vs. Paris – der Zwischenstand

19. Juli 2013

Unlängst war der Gatte dienstlich kurz in Paris. Als er während einer kurzen Verschnaufpause aus den Tuilerien anrief, waren seine ersten Worte: „Es ist hier so laut! Ich habe ganz vergessen, was für eine laute Stadt Paris ist.“

In Gedanken machte ich ein Häkchen auf meiner imaginären Hamburg-Paris-Liste, in der Hamburg-Spalte. Das soll kein nachträglicher Vergleich sein, welche Stadt den längeren hat, sondern der Versuch, mich dieses Mal ein bisschen besser an die Unterschiede zwischen beiden Ländern zu erinnern. In unseren ersten Pariswochen gab es massenhaft kleine Details, die mir aufgefallen waren. Das ist aber auch schon alles, woran ich mich noch erinnern kann. Leider.

Derzeit liegt Hamburg etwas in Führung. Schon allein wegen dem hier:

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guilty pleasure

Und weil Red Bull um 50 Cents pro Dose billiger ist. (Wo wir gerade bei guilty pleasures sind.)

Ich bin aber auch sehr dankbar, mich nicht mehr jedes Mal beim Ausräumen unserer Waschmaschine zu elektrisieren. Klingt komisch, ist aber so. Die Trommel stand in Paris immer ein wenig unter Strom, und wenn man gerade die falschen Schuhe anhatte oder einen akuten Anfall von Fußschweiß, konnte das ganz ordentlich brizzeln. Ich stand kurz davor, 79 Euro für den Mechaniker auszugeben, der aber – wie mir mittlerweile klar geworden ist – gekommen, meine 79 Euro genommen und gesagt hätte, dass das normal ist, bonne journée.

In Paris brizzelt leicht was. Ich glaube, es sind diese Steckdosen, die zwar aus irgendwelchen Gründen mit einem Metallstift ausgerüstet sind (weshalb jetzt natürlich die Hälfte meiner Stecker nicht mehr passt), aber offensichtlich auf eine Erdung verzichtet haben. Computer, Handy – alles mit einem Metallgehäuse brummt ganz leicht, wenn man es anfasst.

Was gönne ich mir jetzt eigentlich für die ersparten 79 Euro?

Hamburg führt allein schon dank seiner HVV-App. Vielleicht klinge ich ja wie jemand, der die vergangenen Jahre hinter dem Mond gelebt hat, aber: Man kann mit dem Ding einfach sein Busticket kaufen! Sein U-Bahnticket! Jederzeit! Ohne Kleingeld! Ohne dass einem die U-Bahn davonfährt, während der Automat gerade den letzten von 25 Wechsel-Cents rausrattert! Genial!

Dafür gibt es ganz massive Abzüge in der Baguette-Note.

Dies hier bekommt man, wenn man in Hamburg ein Baguette kauft:

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Ceci n’est pas une baguette!



Bei einem richtigen Baguette sollte man eigentlich vor lauter Löchern das Brot nicht sehen. Das einzige, was man mit den Dingern machen kann, ist das hier:

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Das nächste Projekt ist bereits beschlossen: Frau Neudecker lernt Baguette backen. Denn wenn der Gatte noch ein Mal vom Bäcker zurück kommt und fassungslos sagen muss: „Weißt du, was sie mir zuerst geben wollten? Ein Baguettebrötchen!! Das hier …“ – womit er das „Baguette“ durch die Luft schwenkt wie eine Anklageschrift – „… das hier muss man als Baguettemeter bestellen! Incroyable!“ Wenn er das also noch ein Mal sagen muss, fürchte ich um unser Mobiliar.

Was wir auch noch nicht gefunden haben, sind bretonische Hummer. Kanadische – klar! Aber wer isst schon kanadische Hummer? Ich trage mich also langsam mit dem Gedanken, auf dem Balkon auch noch einen Fischtank aufzustellen, gleich neben den Artischocken. Sobald ich den fertig habe, mache ich mich daran, einem Fleischhauer zu erklären, was eine bavette, eine araignée und ein onglet sind und ihn davon abzuhalten, das alles als Abfall zu entsorgen.

Apropos Kochen.

Da der Gatte jetzt wieder aushäusig arbeitet (auf deutsch: Er geht ins Büro) und nicht kurz zwischen zwei Texten in der Küche was zaubern kann, bin jetzt öfters ich dran. Es gab bereits eine gelungene blanquette de veau (Kalbfleisch in Sahnesauce), die so schnell weg war, dass sie nicht mehr dokumentiert werden konnte. Wir waren allerdings auch zu acht.

Sowie ein Roastbeef, das ich sicherheitshalber beim Schlachter vorbestellte:

– Guten Tag, ich würde gern ein Roastbeef vorbestellen.

– Ohne Knochen?

– Ja, ohne Knochen.

– Also ein Rammschteeck.

Das Rammschteeck kam (leider zu kurz) in eine kleine Kräutermarinade.

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Danach wurde es bei 80° im Ofen gut zweieinhalb Stunden gar gestreichelt und erst dann angebraten.

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Und ich will ja nicht angeben, aber davon hat sich sogar ein heikler Teenager mindestens zwei Mal genommen.


Auf Facebook zeigte man sich ganz überrascht, dass ich Rammschteek kann. Dabei ist dies das einzige, das ich in der Küche bekanntlich immer schon konnte.

Außer Basteln.

Es gab auch wieder, dem Wetter entsprechend, eine Vichyssoise (auch wenn Ihr iPhone die ganz anders schreiben würde) nach dem Prinzip von Ferran Adrià.

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Und eine schnelle Biskuitroulade für die Französisch-Konversationsstunde mit unserem Freund Alain.

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Vorher.

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Nachher.

Da geht also was.


Nur letzten Sonntag sind wir beide richtig melancholisch geworden, als wir vor dem Fernseher saßen und uns das Defilé zum französischen Nationalfeiertag anschauten. Nein, man muss nicht melancholisch werden, wenn die Fremdenlegionäre in ihren Metzgersschürzen gemütlich die Champs Elysées heruntergeschlendert kommen, oder wenn die Flugshow über die Köpfe aller hinwegdonnert. Wir haben auch nur ganz kurz unserer Pariser Wohnung nachgetrauert, von der aus wir das abendliche Feuerwerk am Eiffelturm perfekt sehen konnten. Immerhin beginnt heute der Hamburger Sommerdom, da gibt’s auch jeden Freitag Feuerwerk.

Man kann allerdings sehr leicht melancholisch werden, wenn man dies hier hört. Es ist eben eine der ergreifendsten, mitreißendsten Nationalhymnen der Welt. Dieses Jahr in einer ganz besonders tollen Version.

5 Kommentare leave one →
  1. Naddi permalink
    19. Juli 2013 08:31

    Schöner Post, amüsant zu lesen 😉 Du willst Baguette backen, dann versuche mal dieses Rezept – schnell gemacht, gelingsicher 🙂 Deutsche Bäcker Croissants & Baguette – das ist wirklich zum Heulen :-0
    http://www.ploetzblog.de/2013/02/16/leserwunsch-frankreichs-bestes-baguette-1995-und-2006/
    Und was die Formgebung betrifft: google mal Ciril Hitz, bei Youtube müsste ein Video zu finden sein, wie mal Baguettes formt.
    Ach und was das Onglet betrifft, in HH müsste sich doch wie im Rhein-Main-Gebiet ein Frischeparadies finden, da gibt es Flanksteak – hmmm super lecker vom Grill, das topt fast jedes Filetsteak vom Grill 😉 Aber von dem Rumpsteak würd ich jetzt auch was nehmen, aber ist ja schon weg 😉
    Herzlichst Nadja

    • 19. Juli 2013 10:35

      Ja, SO müssen Baguettes aussehen! Vielen Dank für den Link. Nicht, dass meine Festplatte nicht schon halb voll mit Baguette-Rezepten wäre, aber dieses hier klingt wirklich gut.

      Und was die französischen Schnittmuster betrifft: wir haben hier einen Schlachter, der auch selbst züchtet. Da denke ich mir, dass er uns doch von einem Rind all die Sachen, die sonst niemand will, beiseite legen kann. Wir werden sehen …

  2. magentratzerl permalink
    19. Juli 2013 11:23

    Baguette ist ein Grund für einen sofortigen Umzug nach Frankreich – das geht hier garüberhauptnicht. Schütteln muss ich mich auch noch 😉

  3. 19. Juli 2013 12:36

    Frau Neudecker, Nadja hat recht. Das Brot von Lutz gelingt, braucht viel weniger Zeit als andere Baguette-Rezepte (vorausgesetzt, man denkt zwei Tage vorher dran, den Teig vorzubereiten) schmeckt gut und hat große Löcher, wie es sein sollte!

  4. 28. Juli 2013 21:33

    Sehr schön. Aber am Schluss hatte ich das Gefühl, jetzt fällt er gleich tot um, der Laconi 🙂

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